Wer erwartet, dass tiefgreifende Veränderungen ohne eigenes Zutun, ohne eigenen Einsatz geschähen, wird wohl oft enttäuscht. Nein, zu einem Umbruch gehört der entsprechende Wille, ich möchte gar von Mut sprechen. Mut, die Geborgenheit des Vertrauten hinter sich zu lassen. Doch gerade auch bei wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen – und damit haben wir es im Spielejournalismus in der Regel zu tun – gehört oft auch Mut dazu, potenzielle finanzielle Einbußen hinzunehmen. Oder nicht nur potenzielle, sondern auch ganz sichere finanzielle Einbußen hinzunehmen.
Damit ist zu erklären, warum Tests auch heute noch »Tests« heißen. Dabei sollte man meinen, dass die Tage, in denen Computerspiele nach dem Stiftung-Warentest-Prinzip besprochen wurden, sich immer mehr dem Ende zuneigen. Statt Grafik, Sound und Gameplay rücken immer mehr Story, Regie, Atmosphäre, künstlerischer Anspruch in den Vordergrund – Aspekte, die sich einer klassischen nüchtern-technischen Bewertung entziehen. Der Ansatz, Spiele explizit subjektiv zu besprechen, gewinnt immer mehr an Popularität. Dass es angesichts dieser Entwicklung widersprüchlich ist, am Begriff des Tests festzuhalten, haben die Kollegen von 4Players erkannt. Ich zitiere hier aus deren Wertungsphilosophie:
Warum heißt es bei euch “Test” und nicht “Kritik”, “Review” oder “Rezension”?
4Players-Wertungsphilosophie
Streng genommen schreiben wir Kritiken. Auch wenn wir bestimmte redaktionelle Grundsätze und Gemeinsamkeiten pflegen: Wir besprechen Spiele aus der subjektiven Sicht des jeweiligen Redakteurs. Aber der Begriff “Test”, der einen objektiven wissenschaftlichen Ansatz suggeriert, hat sich erstens über zwanzig Jahre in der deutschen Spielebranche fest etabliert und wird zweitens als Suchbegriff bei Google so oft verwendet, dass wir darauf nicht verzichten können.
Ironie des Schicksals
Wirtschaftlichkeit also. Das erklärt, warum große Magazine am Testbegriff festhalten. Aber was ist mit mir? Nun, in den ersten paar Wochen meiner Website habe ich meine Tests tatsächlich noch als »Rezensionen« bezeichnet. Ich bekomme den genauen Wortlaut nicht mehr zusammen, aber in meiner Erläuterung zum Wertungssystem meinte ich damals in etwa, dass ich das Wort »Test« im Kontext eines künstlerischen Mediums nicht angemessen finde. Und wenig später habe ich dann alle Rezensionen in Tests umbenannt. Ironie des Schicksals!
Mein Gedankengang war folgender: Es ist ja schön und gut, wenn ich Rezensionen schreibe, aber was bringt mir das, wenn die niemand liest? Mit der Verwendung des Worts »Test« wollte ich mehr Abrufe erreichen, mir dann eine Stammleserschaft aufbauen und irgendwann wieder alles auf »Rezensionen« umstellen. Das hat auch zeitweise echt gut geklappt: In den Monaten wie Juli oder August hatte ich tausende Besucher auf der Website und teilweise mehr als 200 Abrufe pro Tag.
Doch seit einiger Zeit hasst mich der Google-Algorithmus aus Gründen, die sich mir noch nicht erschlossen haben, und ModuGames.net ist in Sachen Besucher quasi tot. Das ist einerseits natürlich extrem frustrierend für mich, bedeutet aber auch, dass ich nun praktisch Narrenfreiheit besitze. Ich kann hier im Prinzip alles tun und lassen, ohne dass jemand auch nur etwas davon mitbekommt.
Ab sofort unter neuem Namen
Je mehr Texte ich schreibe, desto unsympathischer wird mir der Begriff »Test«. Ich finde, dass der Spielejournalismus, der oft proklamiert, dass Videospiele ebenso Kunst seien wie Filme, Bücher oder Musik, dann auch so konsequent sein muss, sich von diesem Begriff loszueisen. Denn Spiele analysiert man eben nicht wissenschaftlich in einem Labor. Also: Weg mit den Tests!
Nun musste ich nur noch überlegen, ob ich meine Besprechungen fortan »Rezensionen« oder »Kritiken« nenne. »Rezension« ist ein schwieriges Wort, viele Deutsche kennen augenscheinlich den Unterschied zu einer Rezession nicht. »Kritik« wiederum ist hierzulande im Gegensatz zum englischen Gegenstück »critique« ein negativ konnotierter Begriff. Aber ganz ehrlich: Das passt doch super! Ich möchte immerhin auch kritischer sein als die meisten etablierten Spielemagazine.
Kritiken sollen es also fortan sein. Inhaltlich wird sich für euch erst einmal nicht großartig viel ändern. In einigen ausgewählten Fällen – wenn ich mich beispielsweise mit einem Spiel besonders intensiv beschäftigt habe – möchte ich jedoch etwas ausschweifender schreiben, mehr interpretieren und nicht nur bewerten, vielleicht auch etwas mehr Humor einsetzen. Das macht natürlich nicht für alle Texte Sinn, schon allein aufgrund des Zeitaufwands. Kritiken zu kleineren DLCs wie denen zum Landwirtschafts-Simulator werden beispielsweise kurz und nüchtern bleiben.
Nun stellt sich die Frage: Wie wirkt sich diese Umstellung auf die YouTube-Videos aus? Vermutlich nur sehr wenig. Ich habe in den letzten zwei Monaten schmerzlich erfahren müssen, dass Videos eine Heidenarbeit sind. Wenn ich dann noch anfinge, regelmäßig fünfzehn- bis zwanzigminütige Videoreviews zu produzieren, käme ich endgültig zu gar nichs mehr. Deshalb werden die Videos gegenüber den Texten vermutlich gekürzt sein und sich aufs Wesentliche konzentrieren.
Übrigens: Ich werde weiterhin Wertungen vergeben, da mir dies einfach unheimlich Spaß macht. Warum ich Wertungen grundsätzlich als nützlich erachte, werde ich in einer Kolumne irgendwann einmal näher ausführen. Die Umstellung der Tests wird in den nächsten Wochen erfolgen und mich einiges an Zeit kosten, da URLs geändert und kaputte Links repariert werden müssen und ich auch nicht darum herum kommen werde, einige Textpassagen neu zu schreiben. Ich jedenfalls bin von meiner Idee sehr überzeugt und kann es gar nicht erwarten, loszulegen, sobald die Zeit es hergibt.
Ich wünsche euch wie immer viel Spaß beim Lesen und Zuschauen!