Mit dem Landwirtschafts-Simulator 2011 wird die beliebte Simulationsreihe vom Sportspiel-Syndrom erfasst: Es steht zwar »2011« auf der Packung, das Spiel erschien aber bereits im Vorjahr. Trotz der verhältnismäßig kurzen Entwicklungszeit gelingt es dem Landwirtschafts-Simulator 2011 allerrdings, sich qualitativ noch einmal deutlich von seinen Vorgängern abzusetzen. In dieser Rezension soll es nur um die Standardversion des Spiels gehen, die auf Steam aktuell sieben Euro kostet. Mit den vier DLCs werde ich mich bald noch einmal gesondert auseinandersetzen.
Neue Karte, neues Glück
Der LS 2011 spielt auf einer komplett neu gestalteten Map, die von den Entwicklern kreativerweise »Karte 1« getauft wurde. Im Gegensatz zu den Vorgängern handelt es sich hier allerdings nicht mehr um eine Insel, sondern um einen Teil des Festlands, der von Bergen umringt ist. Apropos »Berg«: Eine riesige Felsformation in der Mitte der Karte macht die Spielwelt geographisch gleich deutlich interessanter. Neben den herumfahrenden Autos treffen wir im Dorf nun auch auf Fußgänger und sehen Yachten auf den Flüssen umherschippern. Das lässt die Welt erheblich lebendiger wirken als in den Vorgängern. Unser Hauptbauernhof ist hierbei recht zentral gelegen.

»Hauptbauernhof« sage ich deshalb, weil es im Norden der Karte noch ein weiteres Gehöft gibt. Das bringt uns zu einer der zwei großen Neuerungen des Landwirtschafts-Simulators 2011: den Kühen. Im Farming Shop können wir uns nämlich ein paar Wiederkäuer zulegen, die dann automatisch auf unseren nördlichen Hof transportiert werden und fortan in Freilandhaltung friedlich vor sich hin leben.
Einstieg ins Milch-Business
Damit sie Milch produzieren, müssen wir unsere Kuhe natürlich mit Futter versorgen. Das Mähen von Gras kennen wir schon aus den Vorgängern und wurde im Gegensatz zum Landwirtschafts-Simulator 2009 auch an und für sich nicht ausgebaut, aber nun hat das Ganze immerhin einen richtigen Sinn. Schütten wir das Grad in den Trog an der Weide, fangen die Kühe damit an, Milch zu produzieren, die mehrmals täglich von einem Molkereiwagen automatisch abgeholt wird.

Wenn unsere Tiere maximal effektiv sein sollen, müssen wir außerdem noch gehäckselten Mais anliefern. Hierfür brauchen wir den neuen Häcksler der Firma Krone, der allerdings nicht wie die Mähdrescher einen Korntank besitzt. Stattdessen hängen wir einfach einen Anhänger an – zumindest dann, wenn wir alleine arbeiten. Und damit wären wir dann auch schon bei der zweiten großen Neuerung dieses Serienteils angelangt. Es gibt nämlich endlich auch einen Mehrspielermodus, den ich allerdings – so ehrlich will ich an dieser Stelle sein – nicht ausprobiert habe. Wenn es heutzutage überhaupt noch aktive Mehrspielerpartien gibt, dann sind diese privat. Ganz davon abgesehen liegt es mir ohnehin nicht, mit wildfremden Menschen kooperativ zusammenzuarbeiten. Dennoch: Das Vorhandensein des Multiplayers ist ein klarer Pluspunkt.
Ich vs. Förderband: Runde zwei
Aber auch die klassische Arbeit auf dem Feld wurde ausgebaut. Besonders gut gefallen mir die deutlich größeren Grubber und Sämaschinen. Im Vorgänger mussten wir uns mit Geräten herumschlagen, die drei, vielleicht vier Meter Arbeitsbreite geboten haben. Dementsprechend zog sich das Beackern der Felder ewig hin. Mit dem neun Meter breiten Horsch Pronto geht die Sache beispielsweise schon erheblich schneller und damit auch angenehmer von statten. Ihr erinnert euch vielleicht, dass ich in meiner letzten Rezension zum LS 09 über die Quaderballen geflucht habe, weil man sie einzeln auf diesen furchtbaren Ballenwagen aufladen musste. Glücklicherweise gibt es in diesem Serienteil einen Sammelwagen, der Ballen automatisch auflädt, verstaut und abkippt. Das ist mitunter der spaßigste aller Arbeitsschritte.

Mein Erzfeind, das Förderband auf dem Bauernhof, wurde im Landwirtschafts-Simulator 2011 glücklicherweise deutlich entschärft. Es wurde verbreitert und dieses seltsame Aufsammelbecken am unteren Ende entfernt. Das erlaubt uns, die Ballen mit dem Sammelwagen direkt am Förderband abzuladen, wo diese dann automatisch nach oben transportiert und verkauft werden. Das klappt überraschend gut, weniger als ein Drittel der Ballen fallen von dem Band herunter. Hierbei handelt es sich dann auch um Mengen, die wir noch gut einzeln mit dem Frontlader bewegen können, ohne einen Anfall zu bekommen. Wo wir gerade schon beim Thema »Frontlader« sind: Wir können diesen nun endlich mit der Maus steuern. Das klappt zwar keineswegs perfekt, ist aber hundertmal besser als dieser Tastatur-Murks aus dem Vorgänger.
Größerer Umfang
Insgesamt wurde die Riege an Gerätschaften deutlich ausgebaut. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, wurde der Shop in mehrere Kategorien wie »Traktoren« oder »Mähdrescher« unterteilt. Wo ich im Vorgänger schon nach circa fünf Stunden die besten Maschinen besaß, hat es hier deutlich länger gedauert. Es ist schwierig zu sagen, wie viel Zeit ich genau in den Landwirtschafts-Simulator 2011 gesteckt habe, weil ich lange einfach nur tatenlos in der Gegend herumgestanden habe – dazu gleich mehr –, es müssen aber mindestens 15 Stunden gewesen sein. Dementsprechend fällt die Langzeitmotivation deutlich höher aus als im Landwirtschafts-Simulator 2009.

Das klingt doch soweit alles ganz gut. Und ja, der LS 2011 ist von den Serienteilen, die ich bisher unter die Lupe genommen habe, ganz klar der beste. Es gibt aber doch noch reichlich Aspekte, die mich am Spiel gestört haben. Ich werde hier auch durchaus den einen oder anderen Kritikpunkt anbringen, der auf die Vorgänger mindestens ebenso zugetroffen hat, in den jeweiligen Kritiken aber unerwähnt blieb, weil diese Spiele ganz andere Probleme hatten.
Wir müssen auf jeden Fall über die Lizenzen reden. Wo im 2008er und 2009er die Firma Fendt die meisten Geräte gestellt hat, setzt der LS 2011 für seine Traktoren und Mähdrescher auf Deutz-Fahr. Die einzíge Ausnahme sind hierbei die Oldtimer, mit denen wir starten, denn diese stammen von der fiktiven Marke Lizard. Zuerst einmal finde ich es billig, dass sich die Entwickler für die alten Maschinen keine anständige Lizenz besorgt haben. Davon einmal abgesehen finde ich nur eine »echte« Marke für Traktoren und Mähdrescher dann doch etwas zu wenig.
Balancing-Probleme I
Viele meiner Probleme mit dem Spiel hängen allerdings im weitesten Sinne mit dem Balancing zusammen. Eines vorweg: Alles, was ich hier gleich zu den Preisen sage, bezieht sich auf den leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade. Ein Beispiel für meiner Meinung nach schlechtes Balancing ist die Situation mit den Mähdreschern. Der Lizard 7210, einer unserer zwei Startmähdrescher, kostet 65.000 Euro, hat 130 PS und einen Korntankinhalt von 4.500 Litern. Der Deutz 5465 H, der nächstbessere Mähdrescher, kostet 250.000 Euro, hat 150 PS und einen Korntankinhalt von 4.200 Litern. Heißt konkret: Nur minimal mehr PS und sogar einen geringeren Korntankinhalt zum dreifachen Preis. Der wiederum nächstbessere Mähdrescher, der Deutz 5695 HTS, verdoppelt die Werte des 5465 H, kostet aber nur 15.000 Euro mehr. Was ist das denn bitte für eine Logik?

Auch bei den Kühen liegt in Sachen Balancing einiges im Argen. Eine Kuh kostet stolze 25.000 Euro, wirft aber kaum etwas ab. Was ich letztendlich getan habe, ist Folgendes: Ich habe das Spiel im Hintergrund laufen gelassen und stattdessen irgendetwas anders getan, während meine Wiederkäuer zwar sehr, sehr langsam, aber immerhin stetig Geld eingebracht haben. Besagtes Geld floss dann direkt wieder in neue Kühe. Das ging einige Stunden lang so und war höchst unspannend, aber es dauert einfach absurd lange, bis das Geschäft mit der Milch rentabel ist. Dementsprechend ist die Viehzucht früh im Spiel keine ernsthafte Option, im Midgame eher ein nettes Zubrot und nur auf wirklich lange Sicht eine valide Strategie.
Balancing-Probleme II
Wo wir gerade schon beim Thema sind: Die Kühe produzieren nicht nur Milch, sondern auch Gülle und Mist. Besitzen wir ein Güllefass und einen Miststreuer, können wir diese zur Düngung unserer Felder einsetzen. Beim Miststreuer kommt noch dazu, dass wir diesen entweder mit unserem Frontladertraktor oder mit unserem Teleskoplader beladen müssen, was tatsächlich ziemlich cool ist. Der Vorteil von Gülle und Mist besteht darin, dass sie uns gratis zur Verfügung stehen, wohingegen das Düngemittel für unsere Spritze etwas Geld kostet.
Dummerweise können der Miststreuer und das Güllefass in Sachen Arbeitsbreite und Ladevolumen nicht mit der Spritze mithalten, zumindest nicht mit der größeren der beiden Spritzen, der Monsoon Triton 500, die auch nur einen Bruchteil der beiden Gerätschaften kostet. Da bezahlt man doch viel lieber die paar hundert Euro für das Düngemittel. Die selbstfahrende Spritze spielt ohnehin in ihrer eigenen Liga. In einer Hinsicht will ich das Balancing jedoch loben. Im Vorgänger war der Kraftstoffverbrauch unserer Fahrzeuge jenseits von Gut und Böse. Das wurde mit diesem Serienteil glücklicherweise entschärft.

Und natürlich hat der Landwirtschafts-Simulator 2011 auch noch mit Problemen zu kämpfen, die auch schon seine Vorgänger geplagt haben. Warum zum Teufel kann ich wichtige Dinge wie die Steuerung und die Zeitskalierung beispielsweise nur im Hauptmenü einstellen? Auch die Grafik erweist sich wieder als Pferdefuß: Die Fahrzeugmodelle sehen von außen durchaus solide aus, sind in der Innenansicht aber viel zu undetailliert. Die Umgebungsgrafik hingegen würde ich nach den Maßstäben des Jahres 2010 fast schon als »indiskutabel« bezeichnen. Außerdem ist die Soundkulisse weiterhin extrem dünn. Ein Radio mit ein paar lizenzierten Songs könnte hier Abhilfe schaffen.
Fazit
Dank Mehrspielermodus und Viehzucht ist der LS 2011 klar besser als seine Vorgänger. Auch die Änderungen im Bezug auf die Ballen habe ich mit offenen Armen empfangen. Das Spiel scheitert aber nach wie vor oft an seiner Umsetzung: Die Präsentation ist schwach, viele Spielabläufe monoton und auch am Balancing muss noch geschraubt werden.

Gespielte Version: 1.023 (Patch 2.3) – Plattform: Steam