Sea of Thieves – »The best pirate I’ve ever seen« | Kritik

Nachdem der Sturm gefühlt mehrere Tage lang gewütet hat, beruhigt sich die See endlich wieder – doch auf unserer Schaluppe ist von Entspannung keine Spur. Der Ausguck hat ein Geisterschiff erspäht. Mit fetter Beute vor Augen greifen wir den feindlichen Kahn an, tauschen Kanonenkugeln aus und nehmen hastig Reparaturen vor. Doch dann überrascht uns ein drittes Schiff, diesmal aber eines, das von Spielern gesteuert wird. Der Kampf ist lang und hart. Wir locken unsere Kontrahenten in die Nähe eines Felsens, den wir als Deckung verwenden. Mit unserer wendigen Schaluppe können wir das Spielerschiff ausmanövrieren und nach einer gut gezielten Breitseite geht der feindliche Pott endlich unter. Auch das Geisterschiff sinkt kurz darauf dem Ozeanboden entgegen. Mit einer prall gefüllten Schatzkammer segeln wir in Richtung des nächsten Außenpostens, wo wir mit Gold geradezu überschüttet werden. In solchen Momenten ist Sea of Thieves ein fantastisches Spiel. In anderen hingegen nicht so sehr.

Abenteuer auf hoher See

Sea of Thieves spielt in der namensgebenden Sea of Thieves, einer fiktiven Gruppe von 74 Inseln. Wenn wir versuchen, das Gebiet der eigentlichen Open World zu verlassen, werden automatisch Löcher in unser Schiff gerissen und wir gehen schlussendlich unter. Unter den besagten Inseln befinden sich einige Außenposten, wo wir zu Beginn unserer Spielsession aufwachen und zu denen wir später zurückkehren, um unsere Beute zu verscherbeln. Sea of Thieves können wir zwar auch komplett solo erleben, am meisten Spaß macht es aber mit einer Crew, die aus maximal vier Spielern bestehen kann. Wir nehmen Aufträge von den unterschiedlichen Fraktionen auf den Außenposten an, beispielsweise wollen die Gold Hoarders, dass wir vergrabene Schätze ausbuddeln und bei ihnen abliefern.

Wir können uns für einen von drei Schiffstypen entscheiden, wobei wir die Größe unserer Mannschaft bedenken sollten.

Mit dem Vertrag in der Tasche gehen wir an Bord unseres Schiffs, das an einem nahen Steg auf uns wartet. Es gibt in Sea of Thieves folgende Schiffstypen:

  • Die Schaluppe (für einen bis zwei Spieler) besitzt mit ihren zwei Kanonen zwar nur wenig Feuerkraft, ist dafür aber auch schwierig zu treffen und besonders wendig.
  • Der Zweimaster (für zwei bis drei Spieler) bringt es immerhin schon auf vier Kanonen, ist aber auch crewintensiver und erregt mehr Aufsehen.
  • Die Galeone (für vier Spieler) ist ein massives Monstrum von einem Schiff: Acht Kanonen, drei Masten und drei Decks machen diesen Kahn enorm mächtig, aber auch schwierig zu beherrschen.

Die Empfehlungen bezüglich der Spielerzahl solltet ihr ernst nehmen. Alleine eine Galeone steuern zu wollen, ist quasi unmöglich.

Teil des Schiffs, Teil der Crew

Auf den Schiffen gibt es allerlei Aufgaben zu erledigen: Der Anker muss gelichtet werden, die Segel wollen gehisst und in den Wind gedreht werden, die Kanonen müssen bemannt werden und dann braucht das Schiff natürlich auch noch einen Steuermann. Erwartet hier also kein Assassin’s Creed: Black Flag-artiges Gameplay, wo ihr all diese Aufgaben gleichzeitig übernehmen könnt. Das Zusammenspiel mit euren Crewmitgliedern ist essenziell und auch die größte Stärke von Sea of Thieves.

Sea of Thieves kommt über weite Strecken ohne HUD aus. Das hilft der Optik des Spiels.

Habt ihr Kurs auf die Insel eurer Wahl gesetzt, bleibt euch viel Zeit, um die Grafik des Spiels zu bewundern. Gerade der Wellengang ist großartig umgesetzt – Sea of Thieves hat so ziemlich das schönste Meer, das ich je in einem Videospiel gesehen habe. Geschmackssache ist hingegen der comichafte Grafikstil, der mich auch anfangs etwas abgeschreckt hat. Ich wünsche mir zwar nach wie vor ein solches Spiel mit einer realistischen Grafik, aber ich habe meinen Frieden mit der Optik von Sea of Thieves gemacht. Durch das sehr minimalistische Interface sind wir sehr nah am Geschehen dran und es bieten sich immer wieder Panoramen, wo ich innehalten und einen Screenshot machen musste. Die Musik des Spiels ist leider ziemlich dünn, was aber dadurch ausgeglichen wird, dass wir Zugriff auf Instrumente wie ein Akkordeon und ein Banjo haben. Eine Crew kann also selbstständig Lieder anstimmen. Sehr cool!

Jäger des verlorenen Schatzes

Seid ihr auf einer Insel angekommen, gibt es so einiges zu tun: Mit Schatzkarten (»Das X markiert die Stelle«) graben wir Truhen aus, bekämpfen Skelettkapitäne, um danach ihre Schädel zu stibitzen, und sammeln Vorräte aus Fässern. Wir brauchen nämlich immer genug Essen, um unsere Gesundheit wiederherzustellen, außerdem dürfen uns die Kanonenkugeln und die Holzbretter (für die Reparaturen am Schiff) niemals ausgehen. Werdet hier nicht zu gierig! Es ist toll, wenn euer Schiff vor Schatztruhen nur so überquillt – wenn ihr dann aber versenkt werdet, nutzt euch das gar nichts.

Mit unserer Schaufel in der Hand suchen wir eine wunderschöne Insel nach Schätzen ab.

Apropos: Jeder Server bietet Platz für insgesamt 16 Piraten. Ihr werdet bei euren Reisen also auf andere spielergesteuerte Schiffe treffen. Nicht alle davon wollen euch Böses, aber ihr solltet immer mit dem Schlimmsten rechnen. Die Seeschlachten sind hierbei durchaus komplex: Mit regulären Kanonenkugeln schießen wir Löcher in den Rumpf, mit Kettenkugeln bringen wir Masten zu Fall, außerdem können wir Brandbomben werfen, um das feindliche Schiff abzufackeln. Es gibt weiterhin spezielle Kanonenkugeln mit besonderen Effekten, die eine gegnerische Crew zum Beispiel einschlafen lassen. Natürlich muss das Schiff auch stetig neu ausgerichtet und repariert werden. Hier gibt es immer ein bisschen mehr zu tun, als eure Crew schaffen kann, weshalb ihr ständig unter Anspannung seid.

PvP – eine Schwachstelle

Bei ausgeglichenen Crews könnt ihr jedoch an einen Punkt kommen, wo kein Schiff ernsthaft Boden gutmachen kann und es nur noch darum geht, wessen Vorräte länger reichen. In solchen Situationen kann der Nahkampf die Wende bringen: Rammt die Gegner oder schießt euch mit einer Kanone auf den feindlichen Kahn, um dort Verwirrung zu stiften. Mit eurem Säbel teilt ihr im Nahkampf aus, mit eurer Pistole behauptet ihr euch auf größere Distanzen. Achtung: Fernkampftreffer erzeugen einen Hitmarker, Nahkampftreffer hingegen nicht. Das macht es manchmal schwierig zu erfassen, ob man einen Gegner überhaupt erwischt hat oder. Generell halte ich das Nahkampf-PvP für einen der schwächeren Aspekte des Spiels.

Wir konnten die feindliche Galeone erfolgreich versenken – die Schätze sind nun unser!

Habt ihr ein Schiff versenkt, könnt ihr dessen Beute (falls vorhanden) mitnehmen und an Außenposten verkaufen. Das bringt euch nicht nur Gold ein, sondern lässt euch bei den Fraktionen im Rang aufsteigen, wodurch lukrativere Aufträge freigeschaltet werden. Euer Erspartes könnt ihr in rein optische Änderungen für euer Schiff und eure Spielfigur investieren – das wirkt sich also nicht spielerisch aus. Hier war ich zuerst skeptisch, ob das Fortschrittsgefühl befriedigend genug ausfallen würde, aber dieses Vorgehen ergibt schon Sinn. Veteranen wischen mit Anfängern ohnehin schon den Meeresboden auf und richtige Upgrades würden die Balance noch mehr stören.

Wie steht es mit der Langzeitmotivation?

Wenn euch das Erfüllen von Aufträgen nicht reicht, könnt ihr euch noch an gegnerischen Forts versuchen oder Geisterschiffe aufmischen. Manchmal werdet ihr auch zufällig von gefährlichen Kreaturen wie einem Kraken oder einem Megalodon angegriffen – seid also immer auf der Hut! Es gibt außerdem einen Modus namens »Ein Piratenleben«, in dem wir eine richtige Geschichte erleben können. Hier treffen wir sogar auf Jack Sparrow – pardon: Captain Jack Sparrow. Der Modus leidet jedoch unter einem furchtbaren Checkpoint-System.

Im Modus »Ein Piratenleben« befreien wir Jack aus der Fähre der Verdammten.

Die Xbox-App zeigt mir leider nicht an, wie viele Stunden ich schon in Sea of Thieves gesteckt habe, aber es müssten um die 20 bis 30 sein. Ich denke allerdings nicht, dass diese Zahl in absehbarer Zeit den dreistelligen Bereich erreichen wird. Sea of Thieves macht im Prinzip nur dann Sinn, wenn man es mehrere Stunden am Stück spielen kann, was schon ein nicht unerheblicher Zeitaufwand ist. Innerhalb dieser Stunden tritt dann auch immer mal wieder Leerlauf auf, etwa wenn wir von Insel zu Insel segeln und einfach nichts passiert. Mein neues Lieblings-Service-Game wird Sea of Thieves also nicht, aber ich kehre gerne jedes Wochenende einmal zum Spiel zurück.

Fazit

Nein, Sea of Thieves ist kein perfektes Spiel. Gerade die teils schwer nachvollziehbaren Kämpfe und der gelegentlich auftretende Leerlauf können nerven. Dennoch hat kaum ein Spiel meine Seefahrerfantasie dermaßen befriedigt wie dieses. Mit einer gut eingespielten Crew die Weltmeere zu umsegeln, sich Seeschlachten zu liefern und Schätze auszugraben, ist ein riesiger Spaß.

Gespielte Version: – Plattform: Microsoft Store/Xbox App

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