Titanfall – Zu Recht aus den Stores entfernt | Kritik

Im Dezember 2021 machte eine zumindest auf den ersten Blick traurige Nachricht in den Weiten des Internets die Runde: Titanfall, der 2014 veröffentlichte Multiplayer-Shooter aus dem Hause Respawn Entertainment, werde nicht mehr in den Online-Stores wie Origin verkauft werden. Den Besitzern stehe es aber frei, sich auch in Zukunft noch effektgewaltige Mech-Schlachten zu liefern. Aber wie ist der Zustand des Spiels ein Dreivierteljahr nach dem Verkaufsstop? Für diese Rezension habe ich mir Titanfall noch einmal angeschaut und habe dabei feststellen müssen, dass der von mir sehr geschätzte Shooter kurz vor dem Aus steht.

Wer braucht schon eine Story, wir haben Titans!

Titanfall spielt weit in der Zukunft. Zwei verfeindete Fraktionen, die IMC und die Miliz, führen einen Krieg gegeneinander, der durch den Einsatz von Titans, riesigen Kampfanzügen, geprägt ist. Viel mehr kann ich dann auch schon nicht mehr zur »Story« sagen. Die Lore von Titanfall ist ziemlich dünn, denn es fehlt eine Singleplayerkampagne, welche die Zusammenhänge erklärt. Dabei fände ich gerade hier ein paar Hintergrundinformationen wichtig: Was hat es denn nun mit der IMC und der Miliz auf sich? Es gibt riesige und außerdem ziemlich cool aussehende Großkampfschiffe im Spiel, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit fortbewegen können – gibt es dafür irgendeine Erklärung? Warum werden die Konflikte mit Mechs ausgetragen? Wir können im Hauptmenü zwar ein kryptisches Renderfilmchen namens »Einführung« abspielen, aber auch dieses konnte meine Fragen nicht befriedigend beantworten. Was für eine verpasste Chance.

Von den zwölf Spielmodi lebt nur noch einer. Man beachte die Anzahl der Spieler in der unteren linken Ecke.

Doch halt! Es gibt streng genommen eine Kampagne, nur eben nicht für den Einzelspieler. Und das bringt mich wiederum zu meinem nächsten Punkt: Titanfall ist komplett auf Mehrspielermodi ausgelegt, von denen es insgesamt zwölf gibt. Leider hat Titanfall schon seit Jahren mit extrem niedrigen Spielerzahlen zu kämpfen, was zu einem großen Teil auch an seinem eigenen Nachfolger, Titanfall 2, liegt. Tatsächlich wird sogar angezeigt, wie viele Spieler weltweit online sind – dieser Wert liegt heutzutage in der Regel bei knapp einem Dutzend. Folglich sind die allermeisten Modi des Spiels tot, was leider auch die Mehrspielerkampagne betrifft und ich sie daher nicht ausprobieren konnte. Die noch aktiven Spieler beschränken sich weitestgehend auf den Modus namens »Materialschlacht«. Auch wenn Materialschlacht wirklich gelungen ist – dazu später mehr –, ist ein einziger Modus dann doch deutlich zu wenig für langfristigen Spielspaß.

Warum die Smart-Pistol furchtbar ist

Auch wenn, wie der Name des Spiels belegt, die Titans das wahre Aushäneschild sind, spielen wir in Titanfall standardmäßig einen Piloten, also einen Fußsoldaten, der die besagten Mechs steuern kann. Diese Piloten stecken wiederum in einem hochmodernen Anzug mit eingebautem Jetpack. Daher können sie Doppelsprünge ausführen, an Wänden laufen und auch an diesen hängen bleiben. Dieses Bewegungssystem ist für mich das beste Element des gesamten Spiels. Selten es hat es so viel Spaß gemacht, einfach nur über die Map zu laufen, denn selbst komplexe Manöver wie das Wallrunning gehen einfach von der Hand und fühlen sich unheimlich befriedigend an. Das reine Gunplay unterscheidet sich allerdings nicht allzu sehr von anderen First-Person-Shootern. Ein Loadout für einen Piloten besteht aus einer Primärwaffe, einer Handfeuerwaffe, einer Granate und zwei Perks, die hier »Kits« genannt werden. Dazu kommt noch eine extraschwere Titanabwehrwaffe, damit man den mechanischen Ungetümen auch als Pilot noch etwas entgegenzusetzen hat.


Verstößt garantiert gegen irgendwelche Genfer Konventionen: die Smart-Pistol Mk5. Gegner innerhalb des roten Bereichs werden automatisch anvisiert – mit Kugeln, die ihr Ziel selbstständig finden!

Umfangsmäßig ist das jedoch alles ein wenig dürftig, so gibt es gerade einmal zehn Primärwaffen, die sich dafür aber immerhin auch alle recht unterschiedlich spielen. Unter diesen befindet sich jedoch auch eine der schlimmsten Waffen, die ich je in einem Multiplayer-Shooter gesehen habe: die Smart-Pistol Mk5. Diese Bleispritze visiert Gegner innerhalb eines gewissen Rahmens automatisch an und gibt dann auf Knopf- beziehungsweise Mausdruck eine Handvoll Schüsse ab, die immer treffen. Die Leistung des Schützen geht hierbei gegen Null. Ich will es ganz offen sagen: Das Teil ist scheußlich! Was passiert, ist nämlich, dass in manchen Runden jeder zweite Depp mit dieser Smart-Pistol durch die Gegend rennt und wie ein Frosch auf Speed durch das Level springt. Es ist in Titanfall nämlich schwer, Piloten, die sich springend fortbewegen, mit konventionellen Waffen überhaupt erst zu treffen. Smart-Pistol-Nutzer können aber so ziemlich alle Ziele problemlos treffen, denn das Ding visiert bekanntermaßen automatisch an. Ich habe in meiner Spielerlaufbahn ja schon so einige schlechte Ideen gesehen, aber ein komplett legaler Aimbot ist auch mir nur selten untergekommen.

»Standby for Titanfall«

Doch widmen wir uns dem Aushängeschild des Spiels: den Titans. Hierbei handelt es sich um circa sieben Meter hohe Mechs, die bis an die Zähne bewaffnet sind. Es existieren insgesamt drei Ausführungen: Der Ogre ist extrem widerstandsfähig, aber auch ziemlich unbeweglich. Der Stryder kippt sich aus den Latschen, wenn man ihn nur falsch ansieht, aber dafür ist er enorm beweglich. Der Atlas wiederum ist ein Kompromiss aus beiden Extremen und bietet mittlere Manövrierfähigkeit sowie Panzerung. Unsere heißgeliebten Mech können wir aber erst nach einer gewissen Zeit anfordern, die sich durch Kills und angerichteten Schaden verringern lässt. Dieses System finde ich besser als die Killstreaks aus anderen Mehrspieler-Shootern wie beispielsweise Call of Duty, da so auch schlechtere Spieler die Möglichkeit haben, einmal in den Genuss eines Titans zu kommen. Es dauert eben nur länger. Wenn wir einen solchen Titan anfordern, wird er an unserem Wunschort aus der Atmosphäre abgeworfen – daher auch der Name des Spiels.

Der Ogre ist sehr stark gepanzert, dafür aber auch nicht sehr wendig. Unsere Titan-Loadouts dürfen wir frei zusammenstellen.

Ich muss hier sicherlich nicht gesondert erwähnen, dass die übergroßen Kampfanzüge extrem stark sind. Wenn wir sie als Pilot bekämpfen wollen, brauchen wir schon eine der bereits erwähnten Titanabwehrwaffen. Alternativ können wir aber auch auf den Rücken eines Titans springen und seine inneren Systeme direkt angreifen. Dann müssen wir aber aufpassen, dass uns keines der Titan-Abwehrsystem den Garaus macht. Natürlich kann der Pilot aber auch einfach aus dem Titan aussteigen und uns erledigen – hier ist also Vorsicht angesagt. Insgesamt finde ich die Kampfstärke der Titans im Vergleich zu den Piloten angemessen, denn beide haben ihre jeweiligen Schwächen, Stärken und Aufgabenbereiche. Außerdem gefällt mir gut, dass wir nicht gezwungen werden, auf Titans zurückzugreifen. Ich selbst habe mich des Öfteren dabei ertappt, dass ich absichtlich das ganze Match als Pilot verbracht habe. Zum einen weil man als Titan natürlich ein riesiges Ziel ist und man daher meist keine ruhige Minute hat, zum anderen aber auch weil ich das Pilotengameplay sogar noch ein kleines Stückchen unterhaltsamer finde.

Gute Karten und ein unterhaltsamer Modus

Die besonderen Bewegungsmöglichkeiten der Piloten und das Vorhandensein von riesigen Mechs wirken sich natürlich auch auf das Mapdesign aus. Die 24 Karten des Spiels – mit allen DLCs jedenfalls – sind größenmäßig eine Stufe über Call of Duty angesiedelt, immerhin brauchen die riesigen Titans viel Platz zum Manövrieren. Dies bedeutet auch, dass viele Häuser und Hallen mit sehr großen Eingängen ausgestattet sind, um auch für Titans passierbar zu sein. Das Leveldesign unterstützt aber auch in gekonnter Weise das Pilotengameplay: Überall finden sich wagerechte Flächen für das Wallrunning und erklimmbare Gebäude, welche die Doppelsprünge gut zur Geltung kommen lassen. Außerdem haben die Entwickler an einigen Stellen Seilrutschen eingebaut, die sich hervorragend zur Fortbewegung eignen und sich gut in das ohnehin sehr flotte Gameplay einfügen. Insgesamt gefällt mir das Kartendesign wirklich gut – unter den zwei Dutzend Karten befindet sich keine, die ich als »schlecht« bezeichnen würde, zumal sie optisch sehr unterschiedlich sind: »Haven« umfasst ein Luxusresort, eine andere Karte schickt uns wiederum in den Sumpf. Wir erkunden in der Map namens »Kriegsspiele« sogar eine Computersimulation.

Auf dieser Karte kämpfen wir in einer modernen Stadt, andere Maps schicken uns beispielsweise in die Wüste.

Ihr solltet aber nicht erwarten, dass die Karten die epische Größe eines Battlefield erreichen – immerhin ist »Materialschlacht« lediglich ein 12-Spieler-Modus. Für etwas mehr Leben sorgen KI-Soldaten, die allerdings quasi keine Gefahr darstellen. Wo wir gerade schon bei der Materialschlacht waren: Dabei handelt es sich im Wesentlichen um ein Team-Deathmatch. Die Runde endet entweder nach zwölf Minuten oder wenn eines der beiden Teams 300 Punkte erreicht hat, wobei KI-Kills nur wenig Punkte einbringen, ein Titan aber schon deutlich mehr. Der Kniff an der Materialschlacht ist aber auch, dass sie mit dem Absprung aus einem Raumschiff beginnt. Wir starten also nicht einfach auf der Karte. Am Ende der Runde versucht das Verliererteam wiederum, mit einem Raumschiff zu entkommen. Das ist ein ganz nettes Feature, aber auch nichts Weltbewegendes.

Wie steht’s mit der Langzeitmotivation?

Neben den eigentlichen Gefechten gibt es auch ein Progressionssystem, da man so etwas als moderner Shooter ja anscheinend haben muss. Dementsprechend schalten wir Loadouts, Waffen, Aufsätze und dergleichen frei, während wir die 50 Ränge des Spiels erklimmen. Laut Ingame-Uhr habe ich nur 13 Stunden gebraucht, um die Maximalstufe zu erreichen. Das ist eine – gerade im Vergleich mit der Konkurrenz – recht geringe Spielzeit und dessen waren sich die Entwickler wohl auch bewusst. Deswegen gibt es ein Prestige-System, wie man es auch aus CoD kennt, hier heißt es nur »Generationen«. Wer also den Maximalrang erreicht hat, kann sein Level zurücksetzen und noch einmal alles von vorne freispielen. Die Belohnung: eine Plakette und ein Erfahrungs-Multiplikator. Ich habe das System für diese Kritik ausprobiert und mich auf Level 50 in der zweiten Generation gekämpft, habe also das Spiel quasi zweimal abgeschlossen. Wirklich befriedigend war das nicht, ganz im Gegenteil: Ich finde diesen ganzen Freischaltkram und die zahllosen Herausforderungen, die Titanfall einem an den Kopf wirft, eher nervig. Aber gut, wer’s braucht, der kann bis Generation 10 aufsteigen, nur für mich ist das nichts.


Die Gefechte zwischen den Titans sind auch heute noch hübsch anzusehen. Das Spiel schwächelt aber bei seinem Soundtrack.

Es gibt übrigens auch eine Spielwährung, mit der wir Dinge wie Stimmen und Insignien für die Titans freischalten oder Herausforderungen überspringen können. Sprich: ziemlich nutzloses Zeug. Dementsprechend besitze ich auch gegenwärtig über 200.000 Einheiten der Spielwährung, habe aber kein Interesse, sie auszugeben. Erwähnenswert ist auch das System der »Burn Cards«. Hierbei handelt es sich um einmalige Boni, die man in einem Match aktivieren kann und bis zum Spielende oder bis zum Tod anhalten, etwa stärkere Waffen und dergleichen. Auch das halte ich für ein tendenziell unnötiges System, das man sich hätte sparen können.

Zu guter Letzt möchte ich mich noch der Präsentation widmen. Die Soundeffekte im Allgemeinen sind vollkommen solide und grafisch sieht Titanfall so aus, wie man es von einem AAA-Shooter aus dem Jahr 2014 erwartet, auch wenn es nicht ganz mit der Optik eines Battlefield 4 oder Crysis 3 mithalten kann. Besonders gut gefallen mir die Designs der Titans und die Art, wie Interface-Elemente in die Roboter beziehungsweise in unsere Waffen integriert wurden. Beispielsweise sehen wir direkt am Visier unserer Schrotflinte, wie viel Munition wir noch haben.

Fazit

Diese Wertung schmerzt mich wirklich sehr, denn im Grunde halte ich Titanfall nach wie vor für ein gutes Spiel. Das Piloten-Gameplay mit seinen Doppelsprüngen und Wallruns ist spaßig – und sich mit den riesigen Mechs zu bekämpfen, wird ohnehin nie alt. Leider sind die Spielerzahlen derart niedrig, dass nur noch ein Modus aktiv gespielt wird. Es fehlt also an Abwechslung.

Gespielte Version: 1.0.10.1 – Plattform: Origin – Spielzeit: 38 Stunden

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