XCOM 2 – Die Sternstunde der Rundentaktik | Kritik

Die Aliens sind zurück – stärker und böser als je zuvor! Im 2016 veröffentlichten XCOM 2 führen wir den irdischen Widerstand gegen unsere außerirdischen Unterdrücker an. Das Grundspiel war bereits klasse, wurde durch die Erweiterung War of the Chosen, die 2017 erschien, noch einmal auf ein ganz neues Level gehoben. Mit diesem Spiel haben sich die Entwickler von Firaxis Games ein wahres Rundentaktik-Denkmal gesetzt.

Avenger, assemble!

Die erste Amtshandlung von XCOM 2 besteht darin, das Ende von Enemy Unknown (Wertung: 8.5) über Bord zu werfen. Wir haben die Aliens nämlich keinesfalls besiegt, stattdessen kontrollieren die Außerirdischen unsere Welt und inszenieren sich dabei als Retter der Menschheit. Besonders perfide: Wir – also der Commander – wurden von den Aliens gefangen genommen und helfen nun mit unserem brillanten Verstand, deren Truppen zu kommandieren. Glücklicherweise werden wir von einigen Widerstandskämpfern (darunter Central Officer Bradford) zu Beginn des Spiels befreit und führen nun den Kampf gegen die Besatzer an.


Auf der Weltkarte fliegen wir mit der Avenger wichtige Orte an und müssen uns währenddessen die hämischen Kommentare der Auserwähllten anhören.

Anfangs wird uns noch mitgeteilt, dass die Außerirdischen viel zum Wohle der Menschheit getan hätten, doch dem ist nicht so – im Gegenteil. Wie wir später herausfinden, sind die Aliens sogar noch fieser als bisher gedacht. Ohne viel zu spoilern zu wollen: Die Entwickler hatten absolut kein Interesse daran, uns hier in irgendeine Art von moralischer Zwickmühle zu stecken. Natürlich hat der Vorgänger auch schon so funktioniert, ich halte dies dennoch für eine ungenutze Chance, mehr erzählerische Tiefe zu erzeugen.

Eine der größten Neuerung in XCOM 2ist das Flugzeug namens »Avenger«, welches uns als mobile Basis dient. Mit diesem fliegenden Untersatz bewegen wir uns über die Weltkarte und düsen zu den jeweiligen Einsatzorten. Die Weltkarte ist hierbei in Sektoren eingeteilt, zu denen wir erst Kontakt herstellen müssen, bevor wir dort Operationen durchführen können. Die Kapazitäten für solche Kontaktaufnahmen sind jedoch sehr begrenzt. Hier zeigen sich bereits die ersten spannenden Entscheidungen in XCOM 2. Mit der Zeit tauchen auf der Karte Hotspots auf, wo wir unter anderem Vorräte oder Soldaten einsammeln können. Das dauert meist mehrere Ingame-Tage. Da stellt sich dann wieder die Frage: In welcher Reihenfolge klappern wir die Hotspots am effektivsten ab?

The final Countdown

Zumal mit dem AVATAR-Projekt noch eine weitere Überlegung dazukommt. Hierbei handelt es sich um einen ausgeklügelten Plan der Aliens, um die Menschheit zu vernichten. Der Fortschritt des AVATAR-Projekts wird durch einen Balken am oberen Bildschirmrand visualisiert, der sich langsam füllt. Wir ahnen schon: Da passiert etwas sehr, sehr Schlechtes, sobald der Balken vollständig ist. Um den Fortschritt der Aliens aufzuhalten, können wir beispielsweise deren Geheimeinrichtungen angreifen und wichtige Geheimnisse stehlen. Damit ist der Globalstrategieaspekt mindestens genauso spannend wie in Enemy Unknown.


Wir bauen nun nicht mehr einzelne Waffen, sondern verbessern ganze Waffengattungen auf die nächste Stufe.

Auf der Avenger selbst gibt es erneut eine Forschungs- und Technikabteilung, aber auch der Ausbau der Basis ist wieder möglich. Im ersten Teil wurden hierfür noch Aushubarbeiten unter der Erde durchgeführt, was auch wirklich stimmig wirkte. In XCOM 2 wiederum ist die Avenger voll von Kammern, die durch Alien-Schrott blockiert werden, und wir müssen diese freiräumen, um mehr Platz zu schaffen. Das wirkte auf mich etwas zu weit hergeholt, aber das ist auch Meckern auf hohem Niveau.

Altbewährte Kämpfe mit kleinen Verbesserungen

Doch wie sieht es mit den taktischen Rundenkämpfen aus, dem Herzstück von XCOM 2? Wie schon im Vorgänger stürmen wir mit einem Trupp aus bis zu sechs Soldaten in Einsätze. Diese bestehen unter anderem aus Sabotageakten, Evakuierungen oder UFO-Untersuchungen. Allerdings haben die Entwickler einige kleine, aber feine Änderungen vorgenommen, welche die Schlachten noch ein Stück besser machen. Um uns wirklich das Gefühl eines Guerillakriegs zu vermitteln, sind unsere Soldaten zu Beginn eines Einsatzes in der Regel verborgen und können nicht von Gegnern erspäht werden, solange wir uns diesen nicht allzu sehr nähern. Unsere Tarnung fliegt erst auf, sobald wir die Aliens beschießen. Das erlaubt uns, Hinterhalte zu planen – sehr cool!


Unsere Soldatin hat den Advent-Mech im Visier. Die Teile verfügen über einen fiesen Granatenwerfer mit Flächenschaden.

Solche, wenn man denn so will, »schmutzigen Tricks« sind auch absolut notwendig. Denn wenn es darum geht, uns gegen haufenweise starke Gegner kämpfen zu lassen, ist XCOM 2 noch unerbittlicher als sein Vorgänger. Nehmen wir zum Beispiel einmal den Gegnertyp namens »Andromedon«, der nach seinem eigentlichen Tod einfach wieder aufsteht und weiterkämpft. Oder die riesigen Sektopoden, die einen ganzen Trupp auseinandernehmen können, wenn man nicht aufpasst. Und, und, und… XCOM 2 kann für Einsteiger und zum Teil selbst für Fortgeschrittene (zu denen ich mich halbwegs zähle) eine zuweilen frustrierende Erfahrung sein. Aber wenn wir dann schlussendlich siegen, ja, dann ist das Triumpfgefühl dafür noch größer.

XCOM 2 macht uns jedoch nicht nur mit dem AVATAR-Projekt langfristig Druck. Auch im Kleinen hat das Spiel eine Vorliebe dafür, uns unter Zugzwang zu setzen. In einem nicht unerheblichen Teil der Missionen müssen wir uns nämlich noch mit Rundenlimits herumschlagen, beispielsweise sollen wir ein Alien-Sendegerät innerhalb von fünf Runden zerstören. Ich kann hier allerdings Entwarnung geben: Die Rundenlimits sind fair und haben mich quasi nie frustriert. Hier geht es hauptsächlich, uns in die Rolle eines Widerstandskämpfers zu versetzen, der nunmal nicht die Zeit hat, alle Angriffe bis ins kleinste Detail auszuarbeiten.

Die vier Soldatenklassen

Die vier Standard-Soldatenklassen aus dem Vorgänger kehren ebenfalls zurück. Sie wurden allerdings behutsam überarbeitet, sodass sie sich in der Summe unterschiedlicher spielen.

  • Scharfschützen sind auf große Distanzen am effektivsten und unheimlich präzise. Für den Nahkampf sind sie außerdem mit einer Pistole ausgerüstet – den anderen Klassen wurde die Zweitwaffe hingegen weggenommen.
  • Spezialisten sind nach wie vor für die Unterstützung des Teams zuständig, verfügen mit ihren Gremlin-Drohnen aber über äußerst hilfreiche Begleiter, die auf große Distanz Verbündete heilen oder Maschinen hacken können.

Pro Levelaufstieg dürfen wir uns zwischen zwei Fähigkeiten entscheiden. »Sanitäter« erlaubt es unserem Spezialisten, zwei zusätzliche Medikits mitzunehmen.
  • Wer massig Feuerkraft braucht, übernimmt die Kontrolle über einen Grenadier, welcher mit einem Maschinengewehr und einem Granatenwerfer ausgestattet ist.
  • Und zu guter letzt gibt es noch den Ranger (mein persönlicher Liebling), der den Gegnern im Nahkampf mit Schrotflinte und Schwert einheizt.

Insgesamt bin ich ein großer Fan dieser Abänderung, da sie viel mehr taktisches Vorgehen erfordert, zumal auch das Balancing der Klassen sehr gut gelungen ist

Fantastische Progression, sehr gute Präsentation

Doch die Soldaten sind keineswegs nur auf ihre Klassen beschränkt. Bei jedem Levelaufstieg dürfen wir uns zwischen zwei Fähigkeiten entscheiden, welche in Gefechten oftmals spielentscheidend sein können. Der Ranger verfügt beispielsweise über die Fähigkeit »Klingensturm«: Kommt ein Gegner zu nahe an uns heran, bekommt dieser automatisch einen Schlag mit unserem Schwert ab – sehr hilfreich! Ebenfalls cool: Feinde droppen manchmal Items, nachdem wir sie getötet haben, wozu unter anderem Laservisiere gehören können. Die dürfen wir dann wiederum an unseren Waffen anbringen.

Das Progressionssystem von XCOM 2 ist nach wie vor großartig, was vor allem an den spannenden neuen Ausrüstungsgegenständen liegt, die wir im Technikbereich bauen dürfen. Von Exo-Anzügen mit Raketenwerfer über Westen, die immun gegen Gift machen, bis hin zu Flammenwerfern steht alles zur Verfügung. Wir dürfen unsere Soldaten natürlich auch wieder optisch individualisieren – und das mit mehr Optionen als je zuvor. Wer sich also gerne seine eigenen Krieger zusammenstellt, wird hier absolut auf seine Kosten kommen.


Der Hexer ist einer der drei Auserwählten, die uns das Leben als XCOM-Anführer erschweren.

Und eben jene individualisierten Soldaten sehen auch noch wirklich gut aus. Zugeben: XCOM 2 kann grafisch zwar nicht ganz mit ähnlich alten Ego-Shooter und Rollenspiel mithalten, aber das Spiel sieht – gerade für sein Genre, dem im AAA-Bereich nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt wird – sehr gut aus. Seien es die detaillierten Zwischensequenzen, die Lichtreflexionen auf den Rüstungen oder schlicht die zerstörbare Umgebung, die ganz herrlich auseinanderfliegt, wenn wir mit Explosivstoffen arbeiten. Auch die Soundgestaltung konnte mich vollends überzeugen, so hören sich die Waffen unglaublich druckvoll an und vermitteln ein Gefühl von Kraft, welches sogar das vieler Shooter übertrifft. Und die musikalische Untermalung beim Ausrücken der Soldaten macht dies zu einem schlichtweg epischen Moment.

War of the Chosen – gut oder schlecht?

Soviel zum Grundspiel. Ich möchte jedoch auch noch die Erweiterung War of the Chosen besprechen, denn einerseits ist sie mit ihren vielzähligen Neuerungen dafür verantwortlich, dass XCOM 2 endgültig zum absoluten Umfangsmonster wird. Andererseits stellt sie jedoch meinen größten Kritikpunkt am Spiel dar. Doch lasst mich vorne anfangen: Neu sind unter anderem drei Widerstandsfraktionen, mit denen wir zusammenarbeiten können: die Templer, die Schnitter und die Scharmützler. Im Gebäude namens »Widerstandsring« können wir die Guerilla-Kumpanen auf Missionen schicken und so zum Beispiel den Fortschritt des AVATAR-Projekts verringern (sehr hilfreich!) und mehr über den Aufenthaltsort der Auserwählten in Erfahrung bringen.


Die Verlorenen sind für sich genommen recht schwach, werden aber in größeren Gruppen gefährlich.

Doch halt: Auserwählte? Dabei handelt es sich um drei besonders starke Aliens, die von den Alien-Ältesten geschickt wurden, um uns – also dem XCOM-Commander – den Garaus zu machen. Konkret handelt es sich hierbei um die Attentäterin, den Scharfschützen und den Hexer. Diese besitzen nicht nur eigene Persönlichkeiten, sondern auch sehr unterschiedliche Fähigkeiten. Sie können in regulären Einsätzen auftauchen und machen ein ohnehin schon schweres Spiel noch anspruchsvoller. Wir können die Auserwähltesten so allerdings nicht final umbringen. Ist ihr Lebensbalken auf null gesunken, ziehen sie sich zurück und kommen in einem späteren Einsatz wieder. Endgültig eliminieren können wir sie nur, indem wir ihre Basis finden und dort umlegen.

Als wäre das noch nicht genug, finden mit den Auserwählen noch eine neue Gegnergruppe Einzug ins Spiel. Dabei handelt es sich um … Trommelwirbel… Zombies! Irgendwelche giftigen Alien-Chemikalien haben nämlich Menschen in geistlose Hüllen verwandelt, die eine Art Schwarmintelligenz aufweisen. Wenn wir uns Gefechte mit den Aliens liefern, hören die Verlorenen diese Geräusche und greifen beide Parteien an – eine nette taktische Komponente. Interessant: Solange wir mit jedem Zug einen Zombie umlegen, dürfen wir so oft schießen, wie wir wollen. So cool ich manche dieser Mechaniken auch finde, muss ich doch sagen: Mir ist das stellenweise zu viel. Widerstandsfraktionen, Auserwählte, Zombies – das lenkt mich manchmal zu sehr von der eigentlichen Story ab. Das ist aber nur ein verschmerzbarer Kritikpunkt an einem sonst wirklich fantastischen Spiel.

Fazit

XCOM 2 behält die Stärken von Enemy Unknown bei und kann seinen Vorgänger vor allem in Sachen Präsentation noch einmal gehörig überbieten. XCOM 2 ist komplex, schwer, überraschend eindrucksvoll inszeniert und extrem belohnend – eines der besten Strategie/Taktikspiele aller Zeiten. Einziger größerer Kritikpunkt: Das Spiel wirkt durch seinen gewaltigen Umfang zuweilen etwas unfokussiert.

Gespielte Version: – Plattform: Steam

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